Konservierungsstoffe werden immer dann notwendig, wenn das kosmetische Produkt Wasser enthält. Ohne Wasser können Miroorganismen weder leben, noch sich vermehren. Reine Öle und Fette benötigen allenfalls Antioxidanzien, um nicht ranzig zu werden, jedoch keine Konservierungsstoffe. Die in der Kosmetik erlaubten Konservierungsstoffe sind im Anhang der Kosmetikverordnung (KVO) gelistet. Konservierungsstoffe wirken mikrobiozid oder mikrobiostatisch auf Bakterien, Hefen und Schimmel. Mikroorganismen gefährden nicht nur die Haltbarkeit eines Produktes: Vermehren sie sich, können sie eine ernste gesundheitliche Gefahr für den Verwender darstellen. Ein weiteres Problem ist die Übertragung von Keimen über ein Präparat von einem Menschen zum anderen, insbesondere bei den immer noch sehr beliebten Tiegelprodukten, die durch häufiges Öffnen und Hineinfassen besonders anfällig sind. Es gab daher schon frühzeitig Überlegungen, den Produkten Konservierungsstoffe zuzusetzen.
Formaldehyd & Co
Einer der ersten Konservierungsstoffe war der Formaldehyd, der auch in kleinen Konzentrationen hoch wirksam ist. Aufgrund seines stechenden Geruchs und Allergiepotenzials wurde er vor Jahren auf einen Gehalt von 0,2% begrenzt und zumeist durch sogenannte Formaldehydabspalter - zu ihnen gehören z.B. Imidazolidinylharnstoff (INCI: Imidazolidinyl Urea), Benzylhemiacetal und 4.4-Dimethyl-1.3-oxazolidin - ersetzt. Auch Bronidox (5-Brom-5-nitro-1.3-dioxan) und Bronopol (2-Brom-2-nitro-1.3-propandiol) können unter gewissen Bedingungen Formaldehyd freisetzen. Dies ist bei einer Empfindlichkeit gegenüber Formaldehyd zu berücksichtigen. Benzoesäure und para-Hydroxybenzoesäure (Paraben) sowie deren Ester Methylparaben, Ethylparaben, Propylparaben und Butylparaben werden ebenfalls seit langem genutzt. Aufgrund der erwähnten Sensibilisierungsproblematik hat es immer wieder Anstrengungen gegeben, mit Neuentwicklungen eine bessere Verträglichkeit für die Verwender zu erreichen. Leider hat sich dabei gezeigt, dass neue Substanzen hinsichtlich ihrer Allergierate manchmal problematischer waren als die zuvor verwendeten. Dies zeigte sich z. B. bei der Einführung einer Mischung aus Methyl- und Chlormethylisothiazolinon, deren Nebenwirkungsprofil anfangs günstiger erschien als das der Parabene - und noch dazu bei wesentlich geringerer Anwendungskonzentration. Die Allergierate erschien anfangs vergleichsweise kleiner, solange die Verbreitung noch gering war; später stellte sich das Umgekehrte heraus. Ähnliches kann man derzeit beim Dibromdicyanobutan (Methyldibromglutaronitril) beobachten, das heute im Gegensatz zu früher in der Hitliste der relativen Sensibilisierungsraten weit vor die Parabene gerückt ist. Konservierungsmittel sind daher auf längere Zeit betrachtet nicht unproblematisch. Dies gilt im Übrigen nicht nur im Bereich der Kosmetika, die dem Lebensmittelgesetz unterliegen, sondern auch bei Dermatika (Arzneimittelgesetz, AMG). Abgesehen von den Problemen hinsichtlich Verträglichkeit und Allergieraten ist die Konservierung von Emulsionen und wässrigen Lösungen eine Wissenschaft für sich, da für jedes Produkt neue Rahmenbedingungen gelten. Konservierungsstoffe müssen sowohl eine ausreichende Wasserlöslichkeit besitzen, daneben aber auch lipophile Eigenschaften, da sie nur so die Mikroorganismen effektiv angreifen können. Trotzdem werden sie je nach Zusammensetzung des kosmetischen Präparates unterschiedlich in der wässrigen und öligen Phase verteilt. Man spricht hier auch von einem Verteilungskoeffizienten, der für jede Zusammensetzung spezifisch ist. Bei Parabenen ist z. B. häufig eine stärkere Tendenz zur Fettphase festzustellen. Dies führt dazu, dass die Dosierung des Konservierungsstoffes entsprechend erhöht werden müsste, um die so genannte minimale Hemmkonzentration (MIC; minimal inhibition concentration) in Wasser zu erreichen. Die MIC besagt nichts anderes, als dass sich die Mikroben bei Konservierungsmittelkonzentrationen unter der MIC weiter vermehren können, während sie bei Konzentrationen oberhalb der MIC absterben. Es ist also eine Schwellenkonzentration, die für die gewünschte Wirkung notwendigerweise erreicht werden muss. Die MIC darf bei einem sicheren Präparat von der Herstellung bis zum Ende der Mindesthaltbarkeit des Produktes nicht unterschritten werden. Diese Forderung ist nicht einfach einzuhalten, da auch Konservierungsmittel nicht immer hundertprozentig chemisch stabil sind. Parabene können z. B. langsam in Hydroxybenzoesäure und die entsprechenden Alkohole gespalten (hydrolysiert) werden, Benzylalkohole können langsam oxidiert werden, wobei höhere Temperaturen diese Reaktionen beschleunigen. Hydrolysen sind außerdem abhängig vom pH-Wert. Eine andere Fehlerquelle kann darin bestehen, dass Kunststoffmaterialien (Verpackung) oder Dichtungen deutliche Mengen Konservierungsmittel adsorbieren. Diese Effekte müssen selbstverständlich bei der Entwicklung eines Präparates berücksichtigt werden, um eine ausreichende Sicherheit zu gewährleisten. Daher wird eher mit höheren Konzentrationen von Konservierungsstoffen gearbeitet. Speziell bei Parabenen wird zusätzlich häufig Phenoxyethanol als Lösungsvermittler verwendet, so dass man nicht selten auf der INCI-Liste mehrere Parabene in Verbindung mit Phenoxyethanol findet.
Tiegel, Spender oder Tube?
Bei der späteren Verwendung in Tiegeln muss zwangsläufig während der Anwendung mit höheren Keimbelastungen als bei Tuben oder Spendern gerechnet werden. Tiegelprodukte enthalten daher eine höhere Hemmstoff-Reserve. Bei Tiegeln gibt es darüber hinaus ein weiteres unangenehmes Phänomen, das berücksichtigt werden muss: Bei Temperaturschwankungen, z. B. bei Aufbewahrung im Badezimmer, kann es zu Kondenswasseransammlungen am Deckel kommen. Dieses Wasser ist aufgrund der unvermeidlichen Anwesenheit von Spuren organischer Stoffe eine ideale Voraussetzung für die Ansiedlung von Mikroorganismen. Bei Abfüllung in Spender kann das Problem nicht auftreten, da diese in der Regel einen doppelten Boden besitzen, der bei der Entleerung mitwandert und das Eindringen von Luft von außen verhindert. Bei Tuben hat man - je nach Material - unterschiedliche Verhältnisse. Die gute alte Aluminiumtube, die durch ihre Verknitterung nach kurzer Zeit optisch den schlechtesten Eindruck macht, ist sehr hygienisch, weil beim Ausdrücken keine keimbelastete Luft in das Innere einströmt. Die Plastiktube hat den Nachteil, dass sie nach dem Ausdrücken bestrebt ist, ihre alte Gestalt wiederherzustellen, also von außen Luft und Keime in das Innere zieht. Vom hygienischen und optischen Standpunkt sowie hinsichtlich der möglichst niedrigen Dosierung der Konservierungsmittel gehört die Zukunft den Spendern.
Die Mischung macht's
Meist werden mehrere Konservierungsstoffe zusammen verwendet, da nicht alle Mikroorganismen gleichermaßen auf einen Stoff reagieren. Daher findet man nicht selten mehr Konservierungsstoffe als Pflegestoffe auf der INCI-Liste. Die Wirkung der Konservierungsmittel wird vom Hersteller bei der Produktentwicklung durch so genannte Keimbelastungstests sichergestellt, wobei die Präparate gezielt mit Standardkeimen angeimpft werden und die Verringerung der Keimzahlen in bestimmten Abständen gemessen wird. Sinkt die Keimzahl kontinuierlich ab und erreicht sie nach einem festgelegten Zeitraum den Wert Null, dann ist das Produkt mikrobiologisch in Ordnung.
Nur streng dosiert
Die Wirksamkeit von Konservierungsstoffen wird durch andere Inhaltsstoffe beeinflusst. Lecithin ist z. B. eine typische Komponente, die zur völligen Deaktivierung führen kann. Kationische Konservierungsstoffe wie z. B. Chlorhexidin können durch anionische Emulgatoren inaktiviert werden. Ein vergleichsweise hoher pH-Wert der kosmetischen Formulierung senkt die Aktivität saurer Konservierungsmittel wie Sorbinsäure, Propionsäure, Benzoesäure, Hydroxybenzoesäure, Dehydracetsäure oder Salicylsäure erheblich. Dem Ausgleich durch eine höhere Konzentration sind aber Grenzen gesetzt, da negative Auswirkungen auf die Verträglichkeit nicht auszuschließen sind. Daher hat der Gesetzgeber bei allen Konservierungsmitteln prozentuale Höchstmengen vorgeschrieben. Ferner müssen bei einigen Konservierungsstoffen Warnhinweise angebracht werden - dies gilt für Quecksilberverbindungen, Chlorbutanol, Chloracetamid und Glutaraldehyd. Bei Jodpropinylcarbamat ist bei einer Dosierung über 0,02% der Warnhinweis "enthält Jod" obligatorisch. Vielfach wird auch der Einsatzzweck eingeschränkt, d. h. das Konservierungsmittel ist nur bei Präparaten zugelassen, die nicht auf der Haut verbleiben, was vor allem für Reinigungsprodukte (Rinse-off-Produkte) zutrifft. Andere Stoffe wie 5-Brom-5-nitro-1.3-dioxan und 2-Brom-2-nitro-1.3.-propandiol können mit Aminen krebserzeugende Nitrosamine bilden. In der KVO gibt es daher für die Hersteller die Pflicht: "Nitrosaminbildung vermeiden". Dies ist aber u. U. nicht völlig auszuschließen, wenn der Verwender auch andere Produkte benutzt. Da saure Konservierungsmittel nicht sehr effektiv sind, hohe Konzentrationen voraussetzen und mit vielen Konsistenzgebern nicht vereinbar sind, ist ihr Anteil inzwischen gering geworden.
Auf der Strecke geblieben
Ähnlich ist es mit der Verwendung von Chlorphenolen und Chlorkresolen, die seit der Dioxin-Diskussion viel Boden verloren haben; sie zeichnen sich durch eine relativ hohe Allergierate aus. Auch halogenfreie phenolische Verbindungen sind nicht mehr oft anzutreffen. Am häufigsten werden heute Formaldehydabspalter, Parabene, Phenoxyethanol und Dibromdicyanobutan eingesetzt. Der Zusatz von gesetzlich in der Kosmetikverordnung (KVO) zugelassenen Konservierungsmitteln wird heute bei den meisten der auf dem Markt befindlichen Produkte praktiziert. Der Nachteil der in der KVO zugelassenen Konservierungsmittel ist ihr durchweg allergisches Potenzial, insbesondere bei Menschen mit chronischen Barriereschäden (trockene Haut). Da der Anteil der Menschen mit trockener Haut stetig steigt, ist es kein Wunder, dass die Allergierate in gleichem Maße wächst. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Konservierungsmittel aus der chemischen Synthese oder - wie z. B. Benzoesäure und Benzylalkohol - aus natürlichen Quellen stammen. Allgemein ist seit längerer Zeit ein Trend weg von den Konservierungsstoffen der KVO zu konservierungsmittelfreien Produkten festzustellen.
Dr. Hans Lautenschläger |