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Entzündliche Hauterkrankungen durch oxidativen und nitrosativen Stress

 

Die Ätiologie und Pathogenese entzündlicher Hauterkrankungen wie Psoriasis, Atopische Dermatitis, Rosacea, Akne vulgaris und Aktinische Keratose sind nur teilweise bekannt. Bei den exanthematischen Hauterkrankungen werden Erbfaktoren und (auto-)immunologische Mediatoren für chronische Entzündungsprozesse und epidermale Hyperproliferationen diskutiert. Aktinische Keratosen sind die häufigsten Kanzerosen der chronisch UV-geschädigten Haut. Der Übergang in Plattenepithelkarzinome wird durch Pigmentstörungen und Immundefizite drastisch erhöht. Aktinische Keratosen sind durch flache bis hypertrophe Keratosen und eine chronische Entzündung mit Expression von entzündungsfördernden Interleukinen, Wachstumsfaktoren und (Proto-)Onkogenen gekennzeichnet.

 

Gemeinsamkeiten dieser Hauterkrankungen sind chronische Entzündungen und Barrierestörungen des Stratum corneums. Die Hauptbehandlungsoptionen bestehen in der topischen und/oder systemischen Anwendung von antientzündlichen Substanzen und Regeneration der Hautbarriere durch geeignete Substanzen. Die Hautbarriere besteht aus einer Lipiddoppelschicht zwischen Schichten von Korneozyten. Hauptbestandteile der Lipiddoppelschicht sind Cholesterin, Ceramide und Fettsäuren. Moisturizer spielen in der Behandlung von Dermatosen eine entscheidende Rolle. Ca. 40% des NMF (Natural Moisturizing Factor) bestehen aus Aminosäuren, die nicht nur für den Feuchtigkeitshaushalt der Haut verantwortlich sind, sondern auch das osmotische Gleichgewicht mitbestimmen. Peptide, Aminosäuren und Harnstoff des NMF stellen einen natürlichen Schutz gegen ROS (Reactive Oxygen Species) und gegen Stickoxidradikale dar.

Linolsäure ist ein weiterer essentieller Bestandteil der Lipiddoppelschicht der Hautbarriere und kommt im Stratum Corneum im barriereaktiven Ceramid I vor. Defizite an Ceramid I führen zu einer schuppigen, barrieregestörten Haut und sind ein wichtiger Faktor bei der Komedogenese der Akne. Linolsäure kann durch ROS oxidativ verändert werden.

Werden chronische Entzündungsprozesse der Haut durch oxidativen und nitrosativen Stress verursacht? Chronische Entzündungsprozesse im menschlichen Körper werden u.a. durch oxidativen und nitrosativen Stress unterhalten und gefördert. Die Haut als das größte Körperorgan stellt eine Schutzschicht gegen Umwelteinflüsse und Störungen der Homöostase dar, ist aber auch Angriffspunkt für zahlreiche chemische (Xenobiotika) und physikalische (z.B. UV-Strahlung) Noxen, die die Hautstruktur und -funktion verändern können. Diese Noxen können auch Oxidantien wie reaktive Sauerstoffspezies (ROS), so genannte „Freie Radikale" sein. ROS können proliferative Reize setzen und induzieren zelluläre Signalkaskaden, die über Freisetzung von Cytokinen die Apoptose beeinflussen. Reaktive Sauerstoffspezies sind physiologische Stoffwechselprodukte des lebenden Organismus und entstehen unter anderem bei der Energiegewinnung in der Atmungskette der Mitochondrien. Sie sind hochreaktive Produkte mit ungepaarten Elektronen, die mit Zellbestandteilen wie Proteinen, Fetten, Aminosäuren, aber auch mit der Erbsubstanz Verbindungen eingehen und dadurch zu Schäden führen können. Als Schutz vor dem Angriff freier Radikale dienen dem Körper so genannte Antioxidantien wie Vitamine, Spurenelemente oder Enzyme wie Superoxiddismutase, Katalase und Glutathionreduktase. Eine Störung dieses Gleichgewichts kann ein entscheidender Schritt in der Pathogenese zahlreicher Erkrankungen sein und wird als oxidativer Stress bezeichnet. Zu den durch oxidativen Stress verursachten Hauterkrankungen zählen unter anderem phototoxische Hautveränderungen, aber auch Malignome wie die aktinische Keratose, Plattenepithelkarzinome und auch Melanome [1-8, 36]. Neben den reaktiven Sauerstoffspezies (ROS) spielen Stickstoffverbindungen eine entscheidende Rolle bei Entzündungsprozessen und in der Regulation der Immunantwort auf Entzündungsreize.

Stimulation des Nitroxid/Peroxinitrit-Zyklus produziert nitrosativen Stress: In einem Nitroxid/Peroxinitrit (NO/ONOO)-Zyklus werden hohe Konzentrationen an oxidativ wirksamen Substanzen gebildet, die zu Stoffwechselstörungen mit vielfältigen Symptomen führen können. Zu dem Kreis der NO/ONOO-Zyklus-Krankheiten gehören unter Anderen so unterschiedliche Hauterkrankungen wie Psoriasis, Atopische Dermatitis, Rosacea, Akne, Aktinische Keratosen, Plattenepithelkarzinome und Melanome [9-14].

Diese Hauterkrankungen können durch unspezifische, kurzfristige Stressoren ausgelöst werden, die dann den NO/ONOO-Zyklus in Gang setzen und fortlaufend unterhalten. Diese Stressoren können bakterielle oder virale Infektionen, Schadstoffe wie Zigarettenrauchen, Pestizide und organische Lösungsmittel, physische und psychische Traumata, aber auch UV- und ionisierende Strahlung sein. Jeder dieser Stressoren kann im Körper die Konzentration von Nitroxid erhöhen. Prof. M. Pall stellte die These auf, dass Stickoxide bei der Entstehung und Verschlimmerung von chronischen Erkrankungen eine wesentliche Rolle spielen. Nitroxid und das stark oxidative Peroxinitrit lösen einen biochemischen, sich selbst unterhaltenden Teufelskreis aus, der dann zu chronischen Erkrankungen führen kann, wenn er nicht durch geeignete Maßnahmen unterbrochen wird [15-19].

NO-ONOO-Zyklus

Abbildung 1: Die einzelnen Verbindungen des NO/ONOO-Zyklus bilden einen sich selbst unterhaltenden Kreislauf: Stickoxid reagiert mit Superoxidradikalen zu Peroxinitrit, das wiederum den Transkriptionsfaktor NF-Kappa B zur Expression der induzierbaren Stickoxid-Synthase anregt. Die iNOS schließt den Kreis und erhöht die Stickoxidkonzentration. Weitere Komponenten des NO/ONOO-Zyklus induzieren durch oxidativen Stress über den Transkriptionsfaktor NF-Kappa B die inflammatorischen Zytokine: IL-1ß, IL-6, IL-8, TNF-alpha, Interferon gamma und die beiden neurogenen Rezeptoren Vanilloid Rezeptor und NMDA-Rezeptor, die ebenfalls zu einer Konzentrationserhöhung von Stickoxid beitragen [21, 27].
iNOS: induzierbare NO-Synthase
eNOS: endotheliale NO-Synthase
NFκB: Nukleärer Faktor Kappa B

Ichiro Nomura et al. konnten nachweisen, dass bei Atopischer Dermatitis und Psoriasis durch Nitroxid und durch Induktion der Nitroxidsynthase (iNOS) die Produktion von Th2 Cytokinen stimuliert und hohe Konzentrationen proinflammatorischer Cytokine wie TNF-alpha, IL-1β und Interferon-gamma gebildet wurden. Vural et al. [20] fanden stark erhöhte Nitroxid- und Endothelin-1,2-Konzentrationen bei Aktinischen Keratosen und Basalzellkarzinomen. Sie konnten zeigen, dass hohe Stickoxid- und Endothelin-1,2-Konzentrationen mit Hyperkeratose, Hyperpigmentierung und Keratozytenproliferation einhergingen und Wachstumsfaktoren, Mitogene und proinflammatorische Cytokine stimuliert wurden. Gokhale NR et al. fanden signifikante NO-Konzentrationserhöhungen in Patienten mit Psoriasis und eine positive Korrelation mit der Ausprägung der entzündlichen Infiltrate der psoriatrischen Plaques und der Krankheitsdauer [1]. Lowes MA et al. fanden eine erhöhte Expression der induzierbaren NO-Synthase (iNOS) und erhöhte TNF-alpha Werte in dentritischen Zellen (CD11C+) von Psoriasisplaques und ein rasches Ansprechen der erhöhten NO-Synthese mit Reduktion der inflammatorischen Cytokine auf eine Efalizumab-(anti-CD11a-)Therapie [2].

Die Schädigung durch Stickoxid läuft zunächst auf der Ebene einzelner Körperzellen ab und führt dann zu unterschiedlichen Schädigungsmustern von Organen. Ist der auslösende Stressor z.B. ein Sonnenbrand, wird die Schädigung durch den NO/ONOO-Zyklus bevorzugt in der Haut ablaufen. Aus diesen Zusammenhängen ergeben sich gemeinsame Behandlungsoptionen für ätiologisch völlig verschiedene Erkrankungen - die Bremsung, Herunterregulation und gezielte Beeinflussung der biochemischen Mechanismen des NO/ONOO-Zyklus.

Der NO/ONOO-Zyklus umfasst mindestens 22 verschiedene biochemische Reaktionsmechanismen, wobei eine Verbindung zu einer Erhöhung eines anderen Reaktionsproduktes führen kann. Nach Start durch einen Stressor - eine Infektion durch Bakterien oder Viren, physischer oder psychischer Stress, chronische Irritation von zentralen oder peripheren Nerven, Umweltschadstoffe, chronische Entzündungsprozesse mit Aktivierung der Cytokinkaskade oder verschiedene NO-induzierende Medikamente - unterhält sich der Zyklus selbst, wenn zusätzlich erhöhte Konzentrationen von reaktiven Sauerstoffspezies und eine verminderte antioxidative Kapazität vorliegen. Durch diese Stressoren wird die induzierbare NO-Synthase fortlaufend aktiviert und produziert Stickoxide. Wenn dieser Kreislauf nicht durch geeignete Maßnahmen unterbrochen wird, erweist er sich als Circulus vitiosus und führt zu chronischen Erkrankungen. Geeignete Maßnahmen zur Unterbrechung des NO/ONOO-Zyklus sind:

  • eine antibiotische Behandlung von bakteriellen Infekten
  • eine antiphlogistische Behandlung von chronischen Entzündungsprozessen
    eine antivirale Therapie
  • Unterdrückung der permanenten Cytokinbildung durch Hemmung der Cyclooxigenasen, Lipoxigenasen und des nukleären Faktors NFκB
    Ausgleich des chronischen Vitamin B12-Defizits
  • Gezielte Behandlung mit hochdosierten Antioxidantien.

Citratzyklus

Abbildung 2: Der dreiphasige Citratzyklus: Assimilation und Digestion, Intermediär Metabolismus, Elektronentransport und Energiegewinnung durch oxidative Phosphorylierung [27].

NO/ONOO-Zyklus: Durch die Aktivität des NO/ONOO-Zyklus wird die Atmungskette in den Mitochondrien und der Citratzyklus erheblich gestört mit der Folge einer reduzierten Energieproduktion in Form von ATP und der Bildung von Fettsäurenperoxiden und nitrierten und citrullinierten Proteinen. Bei nitrosativem Stress wird Vitamin B12 dem Stoffwechsel durch Oxidation durch NO entzogen. Vitamin B12 fungiert als Coenzym der Methylmalonyl-CoA-Mutase. Ist dieser Stoffwechselweg gehemmt, kommt es zu einer Anhäufung von Methylmalonsäure im Urin, die dann als Parameter des intrazellulären Vitamin B12-Mangels gemessen werden kann.

Stickstoffmonoxid (NO) kommt im menschlichen Körper physiologischerweise vor und funktioniert als Neurotransmitter und regulatives Signalmolekül beispielsweise in der Gefäßrelaxation und Wundheilung. Diese physiologische Wirkung geschieht bei niedriger NO-Konzentration und kurzer Halbwertszeit. Wird NO in hoher Konzentration z.B. durch Induktion der iNOS durch Stressoren gebildet und liegt gleichzeitig hoher oxidativer Stress vor, wirkt Stickoxid cytotoxisch. Diese unphysiologisch hohe Stickoxidbelastung wird als nitrosativer Stress bezeichnet.

  • Das neuronale NO (nNO) wird in den Gliazellen gebildet und wirkt als Neurotransmitter. Es hat eine Wirkdauer von 1-5 Sekunden.
  • Das endotheliale NO (eNO) wird in den Endothelzellen der Gefäße exprimiert und wirkt ebenfalls als Transmitter und als Gefäßdilatator.
    Die Wirkdauer ist ebenfalls kurz und liegt im Sekundenbereich.
  • Das mitochondriale NO (mNO) wird als Ischämiereaktion ausgeschüttet und wirkt als Modulator für Stoffwechselsynthesen, Proliferation, Apoptosen und hemmt die mitochondriale ATP-Synthese.
  • Das induzierbare NO (iNO) wird durch exogene Noxen wie Antigene, Viren, Bakterien und Parasiten exprimiert und wirkt in der Immunabwehr und stimuliert die Entzündungskaskade. Die Wirkdauer beträgt Tage bis Wochen infolge permanenter Stimulation der induzierbaren NO-Synthase mit Produktion von Stickoxiden.

Die induzierbare NO-Synthese erfolgt in zahlreichen Körperzellen wie Astrocyten, β-Zellen des Pankreas, Chondrozyten, Eosinophile, glatte Muskelzellen, Keratinozyten, Leukozyten, Makrophagen, Mastzellen, Monozyten, Thrombozyten u.a. und wird durch verschiedene Faktoren getriggert, wird aber durch eine gezielte Unterbrechung des NO/ONOO-Zyklus gestoppt.

Fluch und Segen der Stickoxide: Die iNO-Synthese dient physiologischerweise der Immunabwehr. Durch NO werden Bakterien geschädigt, Parasiten abgetötet und eine Virusvermehrung gehemmt. Aber durch exogene Stressoren wird ein unspezischer Entzündungsreiz gesetzt, der dann für eine dauernde, sich selbst unterhaltende iNO-Synthese und dauerhaft erhöhte NO-Konzentrationen verantwortlich ist. Dieser dauernde NO-Entzündungsreiz führt zu nitrosativem Stress und kann beispielsweise durch erhöhte Citrullinwerte im Urin nachgewiesen werden [22-23]. Die Messung von ausgeatmetem Stickoxid ist in der Asthmabehandlung eine inzwischen etablierte Methode, um die dem Asthma zugrunde liegende Entzündungsaktivität in den Epithelzellen der Bronchialwand zu messen, und bildet die Grundlage für eine diagnostische und therapeutische Entscheidungsfindung [24].

NO nimmt andererseits eine zentrale Stellung bei der Entstehung von Multisystemerkrankungen ein mit gravierenden Auswirkungen auf den Stoffwechsel. Dies ist Folge der hohen Affinität von NO zum Eisen (Fenton-Reaktion), das als Coenzym zahlreicher wichtiger Stoffwechselenzyme, insbesondere in den Mitochondrien, fungiert. Dadurch wird die Atmungskette in den Mitochondrien beeinträchtigt und die Produktion von energiereichem ATP behindert. Die Folgen sind Schwächung des Organismus und Aktivierung der Entzündungskaskade.

In den mitochondrialen Atmungskomplexen wird durch NO die Elektronenübertragung auf den Sauerstoff gehemmt. Dadurch wird die ATP-Synthese behindert. Der Organismus gerät zunehmend in ein chronisches Energiedefizit. Das macht sich in den energiebedürftigsten Organen wie dem Gehirn, dem Immunsystem, der Netzhaut des Auges, der Darmschleimhaut aber auch in der Haut durch Beeinflussung der Langerhans´schen Zellen bemerkbar [25,26].

Die Blockade des Elektronenflusses in den Mitochondrien hat aber noch weitere Konsequenzen. Das im Atmungskomplex I anfallende Superoxid kann nicht weiter verstoffwechselt werden. Steigt die Superoxidkonzentration in der Zelle an und liegt NO im Überschuss vor, bildet sich toxisches Peroxinitrit. Diese Reaktion ist schneller als die Inaktivierung von Superoxid durch die Superoxiddismutase in den Mitochondrien. Zusätzlich hemmt NO die für die Entgiftung zuständigen Peroxidasen.

Durch Peroxinitrit und Sauerstoffradikale werden die mehrfach ungesättigten Fettsäuren der inneren Mitochondrienmembran zu Lipidperoxiden und Aldehyden oxidiert. Die Lipidperoxide wirken wiederum als Radikale und setzen dadurch eine Kettenreaktion in Gang. Durch die Aldehyde werden Eiweiße vernetzt und es kommt zu Eiweißpolymeren wie Lipofusin, das sich in den Hautzellen als Alterspigment ablagert.

Durch Peroxinitrit wird die mitochondriale Atmung irreversibel gehemmt und die Mitochondrien produzieren als Radikalgeneratoren fortlaufend Superoxid-Radiale mit schwerwiegenden Folgen durch oxidativen und nitrosativen Stress.

Stickoxide drosseln die Energiegewinnung in den Mitochondrien: Diese Veränderungen in den Mitochondrien hat Auswirkungen auf den gesamten Organismus: am Anfang steht der gestörte Stoffwechsel in den Mitochondrien, dadurch wird die Energieversorgung der Zellen und Organe gedrosselt, dann greifen die Radikale die Zellen an und führen zu strukturellen und funktionellen Schäden. So entsteht eine Grunderkrankung, die Mitochondropathie mit der Ausprägung von vielfältigen Symptomen. Bei den genannten Hauterkrankungen sind das chronische Entzündungen, Verhornungsstörungen, Induktion von Cytokinen, Gefäßproliferation, vermehrte Synthese von Adhäsionsmolekülen und Onkogenen. Die verstärkte Freisetzung von Superoxid und der Aktivierung der NO-Synthasen unterhalten und verstärken diesen Circulus vitiosus.
 
Stickoxide verursachen Entzündungsreaktionen: Mit der gesteigerten NO-Synthese fällt übermäßig viel Citrullin an. Dieser Teil des Harnstoffzyklus läuft in den Mitochondrien ab. Citrullin bindet unspezifisch an Eiweiße und es kommt durch diese fremden Konglomerate zu gesteigerten Immun- und Entzündungsreaktionen mit zirkulierenden Immunkomplexen oder Autoantikörpern.

Stickoxide verändern aromatische Aminosäuren und führen zu Stoffwechselstörungen in der Haut: Peroxinitrit hat eine starke Affinität zu aromatischen Aminosäuren wie Tyrosin und Tryptophan. Mit der Aminosäure Tyrosin reagiert es unter Bildung von Nitrotyrosin, das dann im Stoffwechsel zu Nitrophenylessigsäure abgebaut wird. Aus Tyrosin und Tryptophan werden die Neurotransmitter Serotonin, Melatonin, Katecholamine, Schildrüsenhormone sowie Melanin gebildet. Die Störung der Melaninsynthese durch nitrosativen Stress könnte ein Faktor in der Pathogenese des Melanoms sein.

Stickoxide führen zu mitochondrialen DNA-Schäden und zu Mutationen: Die mitochondriale DNA besteht aus einer ringförmigen Doppelstrangstruktur. Mitochondrien besitzen im Gegensatz zur Kern-DNA keine Reparatursysteme für DNA-Schäden. Mutationen des mitochondrialen Genoms führen aber nicht sofort zu Krankheiten, da jede Zelle 500-2.500 Mitochondrien und jedes Mitochondrium acht bis 10 Genkopien besitzt. Sind nur einzelne Genkopien mutiert, so bleibt diese Störung stumm. Weisen aber alle mitochondrialen DNA-Kopien die gleichen Mutationen (Homoplasmie) besonders an kritischen Stellen auf, entwickeln sich manifeste Krankheiten. Physiologischerweise finden sich derartige Mutationen mit zunehmendem Alter des Menschen. Unphysiologischerweise sind peroxidierte Fettsäuren der inneren Mitochondrienmembran im Rahmen eines oxidativen Stresses Ursache für diese Mutationen. Die im Laufe eines Lebens erworbenen Mitochondropathien werden nur mütterlicherseits auf die Kinder vererbt. Mütter unter Nitrostress können folglich völlig gesunde Kinder, aber auch solche mit homoplastischen, mitochondrialen DNA-Schäden bekommen. Eine mitochondriale Vererbung könnte die beobachteten genetischen Einflüsse in der Pathogenese der Atopischen Dermatitis und Psoriasis erklären. So können von einer kettenrauchenden, sonnenanbetenden Mutter Mitochondropathien an die Kinder weitergegeben werden, die dann unter Atopischer Dermatitis und Asthma leiden [27].

Behandlungsstrategien bei oxidativen und nitrosativen Hautschäden: Der Pathomechanismus des oxidativen und nitrosativen Stresses könnte das missing link in der Ätiologie und Pathogenese verschiedener Hauterkrankungen wie Psoriasis, Atopische Dermatitis, Rosacea, Akne, Aktinische Keratose und Melanom sein.

Daraus würde sich eine gemeinsame Behandlungsstrategie ergeben, die aus einer Bremsung, Herunterregulation und Beeinflussung des NO/ONOO-Zyklus durch gezielten Einsatz von Antibiotika, Antiphlogistika, cytokinregulierenden Immunmodulatoren und hochdosierten Antioxidantien bestehen könnte. In der Behandlung von Erkrankungen wie Chronic Fatique Syndrom (CFS), Multiple Chemical Sensitivity (MCS), Fibromyalgie und Golf-Krieg-Syndrom, die ebenfalls durch oxidativen und nitrosativen Stress verursacht werden, haben sich hochdosierte Antioxidantien wie beispielsweise Vitamin B12, natürliches Vitamin E (α,β,γ-Tocopherole, α,β,γ-Tocotrienole; γ-Tocopherol reduziert peroxinitrit-induzierte Zellschäden), Vitamin C, alpha-Liponsäure und Phosphatidylcholin, Magnesium, Zink, Selen und antioxidativ wirksame sekundäre Pflanzeninhaltsstoffe wie Polyphenole, Flavonoide und Triterpene bewährt. Auch in der Dermatologie wurden bereits gute Behandlungserfolge durch gezielten Einsatz von antioxidativ wirksamen Substanzen erzielt. Stucker et al. behandelten Patienten mit Atopischer Dermatitis in einer Phase-III-Studie mit einer Vitamin B12-haltigen Hautcreme. Innerhalb von 8 Wochen besserten sich die Hautbefunde signifikant im Vergleich zu Placebo [28]. Bécherel et al. fanden, dass die Nitroxid-Synthase in humanen Keratozyten durch Retinoide gehemmt wird und dadurch eine antiinflammatorische und antiproliferative Wirkung bei der Behandlung verschiedener Hauterkrankungen wie Akne oder Psoriasis erzielt werden kann [29].

Zur Behandlung der bei den genannten Hauterkrankungen auftretenden Barrierestörungen des Stratum corneums schlug Prof. Dr. A. Kligman eine Behandlungsstrategie mit geeigneten Wirkstoffen vor und etablierte die Korneotherapie. Kligman konnte zeigen, dass geeignete Feuchtigkeitsfaktoren (Peptide und Aminosäuren des NMF [Natural Moisturizing Factor]) und bestimmte Fettstoffe (u.a. Phosphatidylcholin und Fettsäuren wie Linolsäure) nicht nur die Integrität der Hornschicht, sondern in der Folge auch die Regeneration tieferer Hautschichten fördern. Angepasste Behandlungsabläufe ermöglichen neben der individuellen Hautpflege die unterstützende Prävention und Behandlung bei unterschiedlichsten Hautbarrierestörungen. Das sowohl in der Hautlipidschicht als auch in Zellmembranen vorhandene Phosphatidylcholin (PC) wurde als Wirkstoff im Rahmen der adjuvanten Korneotherapie zur Behandlung der Psoriasis und der atopischen Dermatitis mit gutem Erfolg eingesetzt. Es wird vermutet, dass Phosphatidylcholin einen Oxidationsschutz von Membranlipiden darstellt. Für die individuelle Anpassung von Behandlungsstrategien für Hautbarrierestörungen steht eine Vielzahl von antioxidativen Wirkstoffen zur Verfügung. Vitamin A, E, C und Coenzym Q 10, in Liposomen bzw. in Nanopartikel verkapselt, werden im Rahmen der adjuvanten Korneotherapie für eine unterstützende dermatokosmetische Behandlung von entzündlichen Hauterkrankungen eingesetzt. Mit Boswellia Nanopartikeln konnte ebenfalls eine gute entzündungshemmende und antiproliferative Wirksamkeit bei Aktinischen Keratosen nachgewiesen werden. Weihrauchextrakte sind hocheffektive Wirkstoffe für die unterstützende topische Therapie von oxidativen und nitrosativen Hautschäden.

Für die Wirksamkeit von Boswelliasäuren bei systemischen entzündlichen Erkrankungen finden sich in der Literatur zahlreiche Belege. Pandey et al. erzielten mit Boswellia-Extrakten antiinflammatorische und antiproliferative Wirkungen und eine ausgeprägte Senkung der Nitroxidproduktion in Rattenmakrophagen. Triterpene aus Boswellia induzieren Apoptosen in Leukämiezellen HL-60 durch Induktion der Nitroxidsynthase. Boswelliaextrakte wirken antiinflammatorisch durch Suppression der Th1 Cytokine Interferongamma und Interleukin IL-12 und Stimulation der Th2 Cytokine IL-4 und IL-10 und hemmen die iNOS mRNA. [30-35]. Für die durch oxidativen und nitrosativen Stress verursachten Hauterkrankungen sollte daher ein topisches und systemisches Behandlungskonzept mit hochdosierten Antioxidatien und Vitalstoffen neben den bisherigen bewährten Therapieregimen gewählt werden.

Zusammenfassung: Es wird postuliert, dass die gemeinsame Pathogenese von Psoriasis, Atopischer Dermatitis, Rosacea, Akne, Aktinischer Keratose, Plattenepithelkarzinom der Haut und Melanom Mitochondropathien infolge von oxidativem und nitrosativem Stress sind. Zur gezielten Behandlung pathologisch erhöhter reaktiver Sauerstoffspezies und zur therapeutischen Beeinflussung des NO/ONOO-Zyklus werden topische und systemische Therapien mit hochdosierten Antioxidantien und antioxidativ wirksamen Enzymen als Ergänzung zu den bisherigen bewährten dermatologischen Therapien vorgeschlagen.

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Dr. med. Dipl.-Biochemiker Hans-Ulrich Jabs

 


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veröffentlicht in
Ästhetische Dermatologie (mdm)
2008 (3), 28-36

 
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